Mobile Architektur
Eine Besonderheit des Programms „Das fliegende Künstlerzimmer“ ist, dass es einen eigenen Raum „mitbringt“. Dieser dient als Wohn- und Atelierraum für den:die Künstler:in sowie als Arbeits-, Lern- und Kreativort für alle Beteiligten.
Die Architekten Prof. Nikolaus Hirsch und Prof. Dr. Michel Müller haben sich mit ihrem Entwurf der Herausforderung gestellt, einen solch flexiblen Raum zu entwickeln. Die Ästhetik eines klassischen Künstler:innen-Ateliers hat dabei eine genauso wichtige Rolle gespielt wie die Möglichkeit, darin zu wohnen und den Gesamtraum gleichzeitig für unterschiedlichste kreative Formate bzw. Arbeitssituationen flexibel und funktional nutzbar zu machen sowie mobil von Ort zu Ort transportieren zu können.
Mobile Architektur spielte schon immer eine herausragende Rolle in der Geschichte des Bauens. Heute steht sie allerdings auch für die Nöte der Gesellschaft und wird primär als Krisensymptom gelesen: Containeranhäufungen als Ersatz für marode Schulen, Siedlungen für Geflüchtete.
Bei der Entwicklung des mobilen Künstler:innenateliers ging es darum, diese prekäre Zuschreibung umzudrehen, also trotz der temporären Logik mit jährlichem Standortwechsel und modularer Bauweise ein Gebäude zu schaffen, das nicht nach „Container“ aussieht, sondern sich wie selbstverständlich in den ländlichen Raum und das jeweilige Schulgelände einfügt.
Der entwickelte ca. 7,50 x 11 Meter und rund 80 Quadratmeter große Bau ist von außen an ursprünglich drei, mittlerweile zwei Seiten geschlossen und hat eine kleinteilige Holzschindelfassade, die bewusst den Maßstab des Gebäudes im Unklaren lässt. Im Inneren ist ein großzügiger, von oben natürlich belichteter Atelierraum entstanden, dessen lichte Höhe von bis zu 3,50 Metern über ein standardisiertes Containermaß hinausreicht und dadurch einmal mehr Atelieratmosphäre erzeugt.
> hirsch-mueller.de
„Es ist natürlich ein ganz ganz langer Entwicklungsprozess gewesen: ein Maß zu finden, das möglichst weit weggeht von den typischen Containerbauten, die man überall findet.“
(Prof. Nikolaus Hirsch, Architekt)
„Es war uns wichtig, dass das Gebäude eine gewisse Eigenständigkeit schafft und dass es eine räumliche Situation liefert, die man so auf dem Schulgelände oder im Kontext Schule nicht findet.“
(Prof. Dr. Michel Müller, Architekt)
„Das fliegende Künstlerzimmer bleibt nie gleich, sondern ist immer in Bewegung.“
(Prof. Nikolaus Hirsch & Prof. Dr. Michel Müller, Architekten)
Kai Laumann Zimmerei und Bedachung
Unter Federführung der Architekten Prof. Nikolaus Hirsch und Prof. Dr. Michel Müller hat der Holz-Modulbau-Spezialist Kai Laumann im Jahr 2018 einen aus vier Einzelmodulen bestehenden Prototypen umgesetzt. Dieser war so konstruiert, dass die Module einzeln auf Tiefladern transportiert und an unterschiedliche Schulstandorte in Hessen „geflogen“ werden konnten. Zwischen 2018 und 2020 hat die Firma Kai Laumann diesen ersten Prototypen in dreifacher Ausführung produziert. Dieser ist an drei der sechs Schulstandorte zu finden.
> kai-laumann.de
Lukas Wegwerth
Mit dem Beschluss im Herbst 2021, das Programm um vier weitere Standorte, und zwar drei an Schulen und einen im Frankfurter Stadtteil Preungesheim zu erweitern, begann die Entwicklung eines neuen Prototypen. Gemeinsam mit dem Designer Lukas Wegwerth haben die Architekten ihren Anfangsentwurf von Grund auf überarbeitet, wobei die Basisstruktur des Wohnmoduls und Atelierraums sowie die Holz- und Schindelästhetik beibehalten wurden. Der neue Prototyp ist in kleinere Segmente zerlegbar, sodass der Transport noch einfacher wird.
Auch wurden bei der Umsetzung Themen wie Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit und eine neue Durchlässigkeit und Öffnung in den Außenraum durch Hinzufügen einer weiteren, zweiflügeligen Tür nach hinten stärker berücksichtigt. Ein Atelier dieser Bauweise ist auf der documenta fifteen zu finden.
> https://lukaswegwerth.com/