„Hygge Now“
Während der Preview-Tage der documenta fifteen hat die ehemalige fliegende Künstlerin Janina Warnk den „CAMP workspace“ aktiviert.
Mit “Hygge Now” hat Janina Warnk vom 15. bis 17. Juni 2022 Schüler:innen aus Kassel und Besucher:innen zur Performance, zur Disco am Nachmittag und zum gemeinsamen „Abhängen“ mit Tee und eigens zubereiteten Speisen eingeladen. Jeweils ab 17 Uhr hat sich das fliegende Künstlerzimmer in ein Kino verwandelt, in dem unter anderem Filme, die in Zusammenarbeit von Künstler:innen und Schüler:innen entstanden sind, gezeigt wurden.
food / drinx: Den Raum etwas werden lassen
Holz knarzt unter den Füßen, das rhythmische Klappern von webenden Spinnrädern erfüllt den Raum neben Hackbrett und Zither. Metalleimer und Krüge stehen mit handgemachter Schafmilchseife zum Waschen und als potenzieller Instrument-Körper bereit. Essen, trinken, kochen, Vitamine schnippeln, Tee zubereiten, Cocktails mixen, musizieren, Filme schauen, Haare schneiden, ruhen, lernen, handarbeiten, das Tanzbein schwingen, vorlesen, lauschen. Mit ihrer Aktivierung des „CAMP workspace“ für die Preview-Tage der documenta fifteen ging die Künstlerin Janina Warnk der Frage nach: „Wie hört sich die überspitzt romantisierte Sehnsucht nach pastoralem Leben an?“
rituals: die Leichtigkeit des Einfachen, des Zugänglichen
Janina Warnk
„Das fliegende Künstlerzimmer ist ein Ort im Ort. Ein kleiner Freistaat in einer regelgebundenen Institution. Eine Kunst-Enklave, neutraler Boden. Ich verstehe es als eine Plattform für Begegnung und Experiment. Ein Makroversum für Wirklichkeitsumdrehung und Perspektivwechsel. Ein Transformationsort und eine ‘Echochamber’, die Freiräume zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit erlaubt und eröffnet. Hier kann man sich ausprobieren, nachdenken, umdenken, improvisieren, kreieren, fröhlich scheitern, aber auch entspannen, Tee trinken und bescheuert sein.”
Die fliegenden Künstlerzimmer, mobile Wohn-Ateliers mit einer Größe von rund 80 Quadratmetern, wurden ursprünglich konzipiert, um auf Schulhöfen im ländlichen Raum in Hessen von einem:einer Künstler:in bezogen zu werden und künstlerische Prozesse anzustoßen. Janina Warnk, die ein Jahr in dem Holzmodulbau gelebt, gearbeitet und künstlerisch vermittelt hat, sieht das fliegende Künstlerzimmer als einen Unort, in dem nur die Regeln des Raums zählen – als eine Erlaubnis, sich institutionellen Regeln zu entziehen und im Raum eine Wandlung eingehen zu dürfen.
Durch den Fokus auf das performative Spiel, die Möglichkeit der Improvisation und des aktiven, miteinander „Abhängens“ hat Warnk den Raum neu überschrieben und Spuren für die weitere Nutzung hinterlassen; der Raum und die Praxis des Raumes haben sich als lebendiges / erweitertes toolkit auf der documenta fifteen eingelebt.
sounds: Systeme bauen, um Systeme zu beruhigen
„Wir schmeißen uns in Rollen – heute bin ich eine Sportlehrerin aus den 30ern, morgen Marie Curie und übermorgen bauen wir einen Flugsimulator mit Special-Effekts, Schleim und Chemie-Show.”“Der Raum ‚Teaching in Role‘ gestaltet sich als multisensuelle, immersive Lernerfahrung, bietet sowohl visuelle, auditive, olfaktorische als auch haptische Reize und dient so, im Kontrast zur Schule – einer abgegrenzten und oftmals auch begrenzten Erfahrungswelt – als ein kontrolliertes Experimentierfeld, welches nicht nur eigenen gesellschaftlichen Regeln, sondern auch überschriebenen Regeln von Zeit und Raum folgt.”
Janina Warnk
Janina Warnks Praxis speist sich aus der Verschiebung von schulischen Räumen und Rollen. Sie baut immersive und performative Erfahrungswelten, in denen spielerisch vermittelt werden darf, um Hemmschwellen zu überwinden. „Teaching in Role” ist der Versuch einer Aufhebung der Trennungen zwischen Zuschauen, Beiwohnen und Partizipieren und wird durch die Zugkraft des Raumes und der Angebote performativ gelenkt. Warnk übersetzt die örtliche Verschiebung des Raumes durch ein Verweben von Bruch- und Erinnerungsstücken agrarischer Utopien: Von rural zu urban, vom Schulhof zum documenta fifteen Ausstellungsort, vom Ort spielerischen Lernens zum Ort, in dem sich alle gegenseitig etwas beibringen.
Die Scheune ist Mittelpunkt, um rollenspielerisch über Nahrungsherstellung, Produktionswege und die landwirtschaftlichen Grundlagen unserer Ökonomie nachzudenken; an ihren Rändern werden utopische und idealisierte Vorstellungen des Kollektiven und Momente von Care-Arbeit erfahrbar gemacht. Es geht um Entschleunigung und das Heraustreten aus dem Hochdruckstress der Schule. Warnk baut eigene Systeme, um andere Systeme zu beruhigen.
Das Programm während der Preview-Tage im Überblick
Mittwoch, 15. Juni 2022
13:30 – 16:00 UhrPlug & Play: Walter-Lübcke-Schule Wolfhagen: te © rew feat Jaboy87
17:00 – 18:00 Uhr Flicker Space: Filme aus dem fliegenden Künstlerzimmer
Ab 18:00 UhrOpen Space / Tea-Party
Donnerstag, 16. Juni 2022
13:30 – 20:00 Uhr Open Space / Plug & Play
Freitag, 17. Juni 2022
13:30 – 17:00 Uhr Plug & Play / Talk: Die Grundschule Unterneustadt ist zu Gast und diskutiert und erzählt von ihren Visionen von nachhaltigen Werten. Sie fluten das fliegende Künstlerzimmer mit ihren Ideen und praktizieren gemeinsam nongkrong.
17:00 – 18:00 UhrFlicker Space: Filme aus dem fliegenden Künstlerzimmer
Ab 18:00 UhrOpen Space / Tea-Party